4.3 Abtastung und Quantisierung

Abtastung (Sampling) und Quantisierung sind zwei wesentliche Schritte bei der Umwandlung eines kontinuierlichen Signals in ein diskretes Signal, das von digitalen Systemen verarbeitet werden kann.

4.3.1 Abtastung (Sampling)

Die Abtastung ist der Prozess, bei dem ein kontinuierliches Signal in diskrete Werte umgewandelt wird. Dies geschieht durch die Erfassung von Signalwerten zu bestimmten Zeitpunkten. Die Häufigkeit, mit der das Signal abgetastet wird, wird als Abtastrate bezeichnet.

Die Abtastrate wird in Samples pro Sekunde (Hz) gemessen. Höhere Abtastraten können z.B. in KSPS (kilo Samples per Second) oder MSPS (Mega Samples per Second) angegeben werden. Eine höhere Abtastrate ermöglicht eine genauere Darstellung des ursprünglichen Signals, während eine zu niedrige Abtastrate zu Informationsverlust und Verzerrungen führen kann. Die Wahl der Abtastrate hängt somit primär von der Bandbreite des ursprünglichen Signals ab.

Verschiedene Abtastraten

Beispiele für Abtastraten:

  • Audio-CD: 44,1 kHz
  • Professionelle Audioaufnahmen: 96 kHz oder 192 kHz
  • Telefonie (klassisch): 8 kHz
  • Telefonie (HD Voice): 16 kHz, tw. 32 kHz
  • Medizin (EKG): 500 Hz bis 1 kHz
  • Video: 48 kHz oder 96 kHz

Moderne ADCs schaffen Abtastraten von mehreren MSPS (Mega Samples per Second) bis GSPS (Giga Samples per Second).

Kategorie Abtastraten Beispiel
Audio-ADCs (Smartphone,
Soundkarten)
44,1 kHz (CD),
48 kHz (Standard),
96–192 kHz (High End)
Texas Instruments PCM1802
bis 96 kHz (24 Bit)
MCU-interne ADCs 100 kS/s – wenige MS/s STM32F4-Serie → bis 2,4 MS/s (12 Bit)
High-Speed-ADCs
(Kommunikation,
Radar, Oszilloskope)
10 – 500 MS/s Analog Devices AD9234 → 1 GS/s (12 Bit)
Extreme High-End
(RF, GHz-Bereich)
10 – 100 GS/s Oszilloskop-ADCs → bis 100 GS/s

4.3.2 Nyquist-Theorem

Das Nyquist-Theorem besagt, dass ein kontinuierliches Signal mit einer maximalen Frequenz \( f_{max} \) mindestens mit der doppelten Frequenz \( 2 \times f_{max} \) abgetastet werden muss, um eine verlustfreie Rekonstruktion des ursprünglichen Signals zu ermöglichen. Diese Mindestabtastrate wird als Nyquist-Rate bezeichnet.

Übung: Ergänzen Sie den Matlab-Code (wird zur Verfügung gestellt) um eine Abtastrate, welche genau bei der doppelten Frequenz der höchsten Signalanteile (Nyquist-Rate) liegt (also 100 Hz) und vergleichen Sie die Ergebnisse. Was stellen Sie fest? Kann das Signal eindeutig rekonstruiert werden?

Somit:

Die Nyquist-Rate (\( f_s = 2 \cdot f_{max} \)) ist die theoretische Mindestgrenze.

In der Praxis wählt man die Abtastrate deutlich höher, typischerweise

\[ f_s \geq 4 \dots 10 \cdot f_{max} \]

damit der Signalverlauf zwischen den Stützstellen zuverlässig rekonstruiert werden kann.

4.3.3 Aliasing

Aliasing tritt auf, wenn ein Signal mit einer Frequenz höher als die Nyquist-Rate abgetastet wird, d.h. die Frequenz des abgetasteten Signals ist geringer als die Hälfte der Abtastrate. In diesem Fall können höhere Frequenzkomponenten des Signals nicht korrekt dargestellt werden und erscheinen als niedrigere Frequenzen im abgetasteten Signal. Dies führt zu Verzerrungen und Informationsverlust.

Aliasing Demo

Beispiele für Aliasing:

  • Visuelle Aliasing-Effekte: In einer Computergrafik können feine Muster oder Linien, die schneller als die Abtastrate des Displays wechseln, z.B. zu Flimmern führen.
    Aliasing of motion in time

  • Audio-Aliasing: In der Audiotechnik können hohe Frequenzen, die über der Nyquist-Frequenz liegen, als unerwünschte tiefe Frequenzen im abgetasteten Audiosignal erscheinen.

Mathematisch lässt sich Aliasing durch folgende Beziehung beschreiben:

\[ f_{\text{alias}} = \big| f - k \cdot f_s \big| \]

wobei gilt:

  • \( f_{\text{alias}} \): die beobachtete (aliasierte) Frequenz
  • \( f \): die ursprüngliche Signalfrequenz
  • \( f_s \): die Abtastrate
  • \( k \in \mathbb{Z} \): eine ganze Zahl, die angibt, an welchem Vielfachen von \( f_s \) die Spiegelung erfolgt

Damit wird jede Frequenz oberhalb der Nyquist-Frequenz \( f_s/2 \) an den Vielfachen von \( f_s \) gespiegelt und erscheint als tiefer liegende Alias-Frequenz im abgetasteten Signal.

\(k\) kann man wie folgt bestimmen:

\[ k = \text{round}\!\left(\frac{f}{f_s}\right) \]

Dabei ist round die Rundungsfunktion auf die nächste ganze Zahl.
So erhält man das nächstgelegene Vielfache der Abtastrate \(f_s\) zur Signal­frequenz \(f\).

Beispiel 1

  • Signal­frequenz \( f = 70 \,\text{Hz} \)
  • Abtastrate \( f_s = 100 \,\text{Hz} \)

Berechnung:
$$ k = \operatorname{round}\left(\tfrac{f}{f_s}\right) = \operatorname{round}\left(\tfrac{70}{100}\right) = 1 $$

\[ f_a = \big| f - k \cdot f_s \big| = \big| 70 - 1 \cdot 100 \big| = 30 \,\text{Hz} \]

Alias-Frequenz:
$$ f_{alias} = 30 \,\text{Hz} $$

Beispiel 2

  • Signal­frequenz \( f = 320 \,\text{Hz} \)
  • Abtastrate \( f_s = 100 \,\text{Hz} \)

Berechnung:

\[ k = \operatorname{round}\left(\tfrac{f}{f_s}\right) = \operatorname{round}\left(\tfrac{320}{100}\right) = 3 \]
\[ f_a = \big| f - k \cdot f_s \big| = \big| 320 - 3 \cdot 100 \big| = 20 \,\text{Hz} \]

Alias-Frequenz: $$ f_{alias} = 20 \,\text{Hz} $$

Aliasing Wiederholung

4.3.3 Gegenmaßnahmen (Anti-Aliasing)

Um Aliasing zu vermeiden, gibt es verschiedene Strategien:

  1. Abtastrate ausreichend hoch wählen (Nyquist + Reserve)

    • Bedingung:
      $$ [ f_s \geq 2 \cdot f_{max} ]
      $$
    • Praxis:
      $$ [ f_s \geq 4 \dots 10 \cdot f_{max} ] $$
    • Vorteil: keine zusätzliche Hardware nötig
    • Nachteil: höhere Datenraten und Rechenlast
  2. Anti-Aliasing-Filter vor der Abtastung

    • Tiefpassfilter mit Grenzfrequenz knapp unterhalb \( f_s/2 \)
    • idealerweise steile Flanke (hohe Ordnung)
    • Typische Realisierungen:
      • Butterworth-Filter: glatte Amplitude, wenig Phasenverzerrung
      • Chebyshev-Filter: steilere Flanken, aber Ripple
  3. Oversampling

    • Abtastung mit einer vielfach höheren Rate als nötig
    • Danach digitales Tiefpassfiltern und ggf. Decimation (Reduktion der Abtastrate, "Downsampling")
    • Vorteile:
      • digitale Filter sind einfacher präzise realisierbar
      • Aliasing reduziert
      • höhere effektive Auflösung des ADC möglich

4.3.4 Quantisierung

4.3.4.1 Definition

Die Quantisierung ist der Prozess, bei dem die kontinuierlichen Amplitudenwerte des abgetasteten Signals in eine endliche Anzahl von diskreten Stufen umgewandelt werden.

Die Anzahl der Stufen hängt von der Bitzahl \(b\) ab:

\[ L = 2^b \]

Beispiel:
- 8 Bit → \(2^8 = 256\) Stufen
- 16 Bit → \(2^{16} = 64.536\) Stufen

4.3.4.2 Quantisierungsfehler

Der Quantisierungsfehler ist die Differenz zwischen dem Originalwert und dem quantisierten Wert.
Er verhält sich wie ein Rauschsignal mit typischerweise gleichmäßiger Verteilung.

  • Ursache: Rundung auf die nächstgelegene Stufe
  • Effekt: Verzerrungen → hörbar als Rauschen bei Audio
  • Name: Quantisierungsrauschen

Quantisierung

4.3.4.3 Signal-Rausch-Verhältnis (SNR) für Quantisierung

Das Signal-Rausch-Verhältnis (SNR) beschreibt das Verhältnis zwischen der Leistung des Nutzsignals und der Leistung des Stör- bzw. Rauschsignals.

Die allgemeine Definition lautet:

\[ SNR = 10 \cdot \log_{10}\!\left(\frac{P_{\text{signal}}}{P_{\text{noise}}}\right) \,\text{dB} \]

wobei
- \( P_{\text{signal}} \): mittlere Leistung des Nutzsignals
- \( P_{\text{noise}} \): mittlere Leistung des Rauschsignals

Da die Leistung proportional zum Quadrat der Effektivspannung (\(U_\text{rms}\)) ist, kann man das SNR auch direkt mit Spannungen ausdrücken:

\[ SNR = 20 \cdot \log_{10}\!\left(\frac{U_{\text{rms,signal}}}{U_{\text{rms,noise}}}\right) \,\text{dB} \]

Das SNR ist auch ein Maß für die Qualität eines quantisierten Signals im Vergleich zum durch die Quantisierung entstehenden Fehler, also dem Unterschied zwischen Originalsignal und Quantisierungsrauschen.

Für ein hochfrequentes und hinreichend komplexes Signal ist die Abweichung zwischen Originalwert und quantisiertem Wert praktisch zufällig verteilt.

Je höher der SNR ist, desto besser ist die Qualität des quantisierten Signals, d.h. desto weniger hörbar ist das Quantisierungsrauschen.

Zusammenhang mit der Bitanzahl

Für die Quantisierung gilt näherungsweise:

\[ SNR \approx 6.02 \cdot b + 1.76 \,\text{dB} \]
  • \(b\): Anzahl der Quantisierungsbits
  • Faustregel: jede Verdopplung der Bitanzahl erhöht das SNR um ca. 6 dB

Beispiele:
- 8 Bit → ca. 50 dB
- 16 Bit → ca. 98 dB

4.3.4.4 Verbesserungsmöglichkeiten

  1. Mehr Bits verwenden

    • höhere Auflösung, geringerer Fehler
  2. Dithering

    • künstliches Hinzufügen von Rauschen vor der Quantisierung
    • Ergebnis: gleichmäßigeres Spektrum des Fehlers, weniger Verzerrungen
  3. Noise Shaping (z. B. in Sigma-Delta-ADCs)

    • Quantisierungsfehler außerhalb des hörbaren Frequenzbereichs
    • besonders wichtig bei hochauflösender Audiotechnik

4.3.5 Vergleich: Aliasing, Quantisierungsrauschen und Bandbreitenbegrenzung

Phänomen Ursache Hörbarer Effekt
Aliasing Abtastrate zu niedrig,
Frequenzen > Nyquist falten ins
Basisband zurück
Falsche Töne entstehen
(Tonhöhe verändert sich)
Quantisierungsrauschen Zu geringe Amplitudenauflösung
(zu wenige Bits)
Rauschen überlagert Signal,
bei sehr niedriger Auflösung
starke Verzerrung
Bandbreitenbegrenzung Signal wird vor Abtastung
durch Filter beschnitten
Signal klingt dumpf,
hohe Frequenzen fehlen